Wenn ein Film oder eine TV-Serie ankündigt, alles beruhe auf ein­er wahren Geschichte (nur die Namen seien geän­dert wor­den, um die Opfer zu schützen), so ist dieser Hin­weis stets mit Vor­sicht zu geniessen. Man möchte sog­ar behaupten, es han­dle sich dabei um ein Fik­tion­al­itätssig­nal erster Ord­nung. In Roman Polan­skis Film nach einem Roman von Del­phine de Vigan ist das nicht anders.

Die Schrift­stel­lerin Del­phine (Emmanuelle Seign­er) hat mit einem Schlüs­sel­ro­man einen grossen Coup gelandet. Bei ein­er Sig­nier­stunde auf der Paris­er Buchmesse ste­hen die Leute Schlange und ver­sich­ern der sichtlich erschöpften Autorin ein ums andere Mal, wie aussergewöhn­lich und beein­druck­end ihre Geschichte sei. Aber der auto­bi­ografis­che Roman trägt Del­phine auch Kri­tik ein. In einem anony­men Brief wird ihr vorge­wor­fen, sie hätte ihre Mut­ter verkauft und ihre Fam­i­liengeschichte zu Geld gemacht. «Glaub­st du, du kommst ein­fach so davon, weil du dein Buch einen Roman nennst und weil du ein paar Namen geän­dert hast?» Als Näch­stes möchte Del­phine eine erfun­dene Geschichte erzählen. Aber sie steckt fest. Auch ihre neue Fre­undin L. (Eva Green), die sie nach der Lesung ken­nen­gel­ernt hat, ver­sucht mit allen Mit­teln, Del­phine von ihrem Vorhaben abzubrin­gen und stattdessen ihre wahre Geschichte zu schreiben. «Du willst ja nur deshalb zur Fik­tion zurück­kehren, weil du dein ver­bor­genes Buch nicht schreiben willst.»

Nach und nach mutiert die geheimnisvolle L. («elle») zur dämonis­chen Muse, die Del­phine psy­chisch unter Druck set­zt und ihr Leben zunehmend an sich reisst. Am Ende scheint zwar Nor­mal­ität einzukehren, aber was Wahrheit und was Ein­bil­dung ist, bleibt Speku­la­tion. Del­phines Lek­torin ist vom neuen Buch begeis­tert. Aber wer hat es geschrieben?

Daniel Ammann
Erschienen in: Akzente 4 (28.11.2017): Online-Aus­gabe.
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Nach ein­er wahren Geschichte. (D’après une his­toire vraie.) Frankreich/Polen/Belgien 2017. Regie: Roman Polanski.
Berlin: Stu­dio­canal Home Enter­tain­ment (Arthaus) 2018. DVD.

Del­phine de Vigan. Nach ein­er wahren Geschichte.
Aus dem Franzö­sis­chen von Doris Heine­mann. Köln: DuMont, 2017. 348 Seiten.

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